Traditionelle Sportarten wie die Leichtathletik stehen heute in einem Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlichen Veränderungen und sich daraus ergebenden Erwartungen an den organisierten Sport einerseits und der gewachsenen Konkurrenz um die knappe Zeit von Kindern durch unzählige Freizeitangebote und moderne Unterhaltungsmedien andererseits. Daraus resultieren vielfältige Ansprüche an eine moderne Leichtathletik. Um diesen begegnen und gerecht zu werden zu können, bedarf es zunächst einer Analyse der Umweltbedingungen, unter denen Kinder heute aufwachsen, und der Bedürfnisse der Nachwuchssportler.
Aufgaben der Kinderleichtathletik als Grundsportart
Das Sportangebot der Vereine muss in vielerlei Hinsicht zu der Lebenswelt Kinder passen und das in motorischer, gesundheitlicher, pädagogisch-psychologischer und sozialer Hinsicht.
Soziale Entwicklung
Außerfamiliäre Institutionen wie Sportvereine übernehmen heute oft die Funktionen, die früher die Familie und die ungeregelten Nachmittags-Freizeit erfüllt haben. Vereine sind über den Sport hinaus zu wichtigen Gestaltern einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung für Kinder und Jugendliche geworden.
Der Umgang mit gleichaltrigen ist wichtiger Bestandteil beim Erwerb von Lebens- und Erfahrungsrollen. Insofern kommen den Angeboten der Sportvereine auch im Kontext der Entwicklungs- und Sozialisierungsprozesse vielfältige Funktionen zu:
- Orientierung und Stabilisierung
- Freiraum für die Erprobung neuer Verhaltensweisen
- Sozialkontakte außerhalb des Elternhauses
- Raum für die Identitätsentwicklung
Motorische Entwicklung
Koordinative und konditionelle Fähigkeiten von Kindern werden heute im Rahmen von Freizeitaktivitäten oftmals nur noch unzureichend entwickelt. Daher ist die Entwicklung dieser Fähigkeiten die zentrale Aufgabe der Kinderleichtathletik. Sie bildet die Grundlage für den Leistungsaufbau sowohl in der Leichtathletik als auch in zahlreichen anderen Sportbereichen.
Da Kinder heute über ein durchschnittlich geringes Bewegungsrepertoire verfügen, steht eine vielfältige Ausbildung im Vordergrund. Motorische Zielstellung für die Kinderleichtathletik ist, über verbesserte koordinative und konditionelle Fähigkeiten die individuelle Handlungskompetenzen in den Bereichen Laufen, Springen, Werfen, Turnen und (rhythmischer) Gymnastik sowie in den Sportspielen deutlich anzuheben.
Gesundheitsentwicklung und -erziehung
Schon die Römer wissen mit ihrem Spruch „Mens sana in corpore sano“ auf die Wichtigkeit eines gesunden Körpers hin. Hier liefert das Sporttreiben einen besonderen Beitrag, denn (regelmäßige) Bewegung sorgt nicht nur für eine Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems und der Immunabwehr, sondern auch für eine Festigung des aktiven und passiven Bewegungsapparats sowie für eine Erhöhung der Belastungsverträglichkeit und der Vorbeugung muskulärer Dysbalancen. Ein verantwortungsvoller Übungsleiter wird bereits im Kindertraining immer wieder Wissenswertes einfließen lassen.
Pädagogisch-psychologische Entwicklung
Neben sportlichen Grundlagen können im Rahmen des Leichtathletiktrainings auch wesentliche Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder gesetzt werden. Kinder lernen im Training, Belastungen auf sich zu nehmen, Bewegungen konzentriert auszuführen, ausdauernd zu üben und sich im Wettkampf mit voller Kraft einzusetzen. Sie lernen, in Teamwettbewerben eigene Interessen zurückzustellen, Verantwortung zu tragen und sich einzuordnen. Im Wettkampf lernen die Kinder sich mit unterschiedlichen Situationen auseinanderzusetzen und gewöhnen sich damit an wettkampfgerechtes Verhalten.
Kinder für den Sport und insbesondere für die Leichtathletik begeistern
Damit der Sport bzw. die Leichtathletik all seine bzw. ihre positiven Effekte zum Tragen bringen kann, müssen die Kinder (und ihre Eltern) zunächst dazu motiviert werden, sich mit dem Sport bzw. der Leichtathletik zu beschäftigen. Dabei bietet die Leichtathletik Trainern nahezu unendlich viele Möglichkeiten, in Kinder das Bedürfnis nach individueller Bewegung und Teamerlebnissen zu wecken. Ein vielfältiges, abwechslungsreiches, erlebnisreiches und freudig präsentiertes Training wird Kinder spielend für die Leichtathletik begeistern.
Kinderleichtathletik als erste mehrjährige Ausbildungsetappe
Die Kinderleichtathletik steht chronologisch am Anfang der leichtathletisch-sportlichen Ausbildung. Sie wird als mehrjährige Trainingsetappe eingegrenzt. Die Eingrenzung wird sowohl „zu Beginn“ als auch „am Ende“ vorgenommen.
„Zu Beginn“, d.h. in den Vorschuljahren bzw. der frühen Kindheit, findet in Deutschland traditionell keine Sportartspezialisierung statt, außer in den turnerisch-akrobatischen Sportarten. Vielmehr wird über das Angebot der Kinderturn-Gruppen in den Vereinen ein sportartübergreifendes Angebot gemacht.
Die Kinderleichtathletik setzt daher mit dem Schulbeginn bzw. mit sechs bis sieben Jahren ein.
Altersgemäß „am Ende“ schließt das Grundlagentraining (U12 bis U16) an, in dem definitionsgemäß der systematische Erwerb der leichtathletischen Techniken beginnt. Im Altersbereich der U12 überlappen sich Kinderleichtathletik- und Grundlagentraining.
Spielleichtathletik = Kinderleichtathletik
Spielend wachsen und die Welt entdecken
Als Synonym für die Kinderleichtathletik steht oftmals noch der Begriff „Spielleichtathletik“, was in der großen Bedeutung des Spielens für die kindliche Entwicklung begründet ist. Über das Spielen entdecken Kinder ihre Umwelt und machen sie sich durch probierendes Handeln zu eigen. „Spielerisch“ meint hier „kindgemäß“ im besten Sinne. Dabei ist die Kindheit eine ununterbrochene Lernzeit, „auf allen Kanälen“: Sprache, Sinne, Motorik, Koordination, Kinästhetik, Emotionsverarbeitung und Willensbildung werden parallel entwickelt.
Ein systematisches, auf Kognition begrenztes Lernen („Tue dieses, lass jenes“), wie es für ältere Jugendliche und Erwachsene typisch ist, würde die Informationsaufnahme und -verarbeitung bei Kindern einschränken. Beim Spielen dagegen sind Kinder oftmals zeitentrückt auf einen Gegenstand fokussiert bzw. in eine Aufgabe vertieft.
Kennzeichen spielerischen Handelns
- Spielerisches Handeln ist frei von Zwängen und Interessen.
- Spielerisches Handeln ist dauerhaft, wenn bei den Kindern das Verlangen besteht, die ausgeübte Tätigkeit nicht beenden zu wollen.
- Spielerisches Handeln ist schwebend und schwerelos, wenn sich die Kinder von der Realität, von ihren Ängsten, ihren Hemmungen, ihren gewohnten Verhaltensmustern entfernen und sich gleichsam in einer anderen Welt bewegen.
- Spielerisches Handeln ist gegenwärtig, wenn Kinder sich nur noch am gegenwertigen Geschehen orientieren.
- Spielerisches Handeln ist spannungsgeladen, wenn die Kinder Aufgaben und Spielsituationen bewältigen müssen, die einen gewissen Einsatz verlangen und deren Bewältigung im Bereich des Ungewissen, aber auch des Möglichen liegt.
- Spielerisches Handeln ist geschlossen, d. h., das Handeln ist zwar frei von äußeren Zwängen, jedoch nicht ohne „Spielregeln“.
Formen spielerischen Handelns
- Spielerisches Handeln mit dem eigenen Körper, z. B. beim Überlaufen von Hindernissen, dem Meistern einer Sprunghöhe, das steigernde Laufen auf dem Rasen
- Spielerisches Handeln mit dem Gerät, z. B. beim Experimentieren mit verschiedenen Wurfgeräten, um deren Flugeigenschaften zu erkunden oder bei Zielwürfen mit Geräten, wie z. B. durch Reifen, auf Hütchen, auf Zeitungen
- Spielerisches Handeln mit dem Partner oder der Gruppe, z. B. bei Laufspielen in der Gruppe, Fang- und Verfolgungsspielen oder Gruppenspielen, bei denen die Leistung des Einzelnen zum Gesamtergebnis beiträgt.
- Spielerisches Handeln mit darstellendem Charakter, wenn Kinder z. B. in die Rolle von Katzen, Mäusen oder Kängurus schlüpfen.
Wettkampf-Disziplinen
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